2022 Abdullah Ibrahim

Fotos vom Konzert und die Kritik aus dem Tagblatt s.u.

Willkommen!!
 ABDULLAH IBRAHIM
Mit großer Freude heißen wir einen der bedeutendsten Musiker und Künstler der letzten sechzig Jahre in Tübingen  willkommen. Die Südafrikanische Legende wird in dem herrlichen Schlosshof ein Solo-Konzert für uns geben:
 
„A Lifetime of Dreams and Resistance at the Piano” The New York Times  

Pianist und Anti-Apartheid-Aktivist Abdullah Ibrahim, von Nelson Mandela als „unser Mozart“ bezeichnet, ist Südafrikas bedeutendster Pianist und ein weltweit geschätzter Musiker. Der gebürtige Kapstädter, der unter dem Namen Dollar Brand Bekanntheit erlangte, wurde sehr früh einem Melting Pot an kulturellen Einflüssen ausgesetzt: Afrikanische traditionelle Musik, christliche Hymnen, Gospels und Spirituals sowie amerikanischer Jazz, Township- und klassische Musik. Aus dieser Mischung aus Weltlichem und Religiösem, Traditionellem und Modernem entstand Abdullah Ibrahims unverwechselbarer Sound und musikalisches Repertoire. 

  “Ein Titan nicht nur der Musik- sondern auch der Weltgeschichte” Südd. Zeitung  
Ende April 2023 wird es 60 Jahre her sein, dass er dem Apartheidregime den Rücken kehrte und seine ersten Konzerte in Europa gab, wo er die Gelegenheit hatte, amerikanische Jazzmusiker wie John Coltrane, Duke Ellington oder Art Blakey & The Jazz Messengers zu treffen.
Um dieses historische Ereignis zu feiern, wird Abdullah Ibrahim  ein paar ausgewählte Konzerte in Europa geben, darunter der Solo-Auftritt in Tübingen!

Fotos von Jürgen Spieß und Lutz Liebenberg:

Hypnotisch-betörende Messe 

Abdullah Ibrahim präsentiert sich im Schlosshof als Hohepriester des Pianojazz

Von Jürgen Spieß   erschienen im Schwäbischen Tagblatt 25.07.2022

TÜBINGEN. „Was für ein Anblick!“, begrüßte OB Boris Palmer am Samstagabend die 500 Besucher im ausverkauften Schlosshof. Tatsächlich sollte es ein außergewöhnliches Konzert an einem besonderen Ort werden. Denn in der Folge betrat der 87-jährige Abdullah Ibrahim in schlichten, schwarzen Gewändern, gestützt von einer Begleiterin, die Bühne, faltete die Hände andächtig zum Gruß und versenkte sich alleine und gut 90 Minuten lang vollkommen in sein Pianospiel.

Als junger Musiker, am Anfang seiner professionellen Karriere, hat Abdullah Ibrahim in Hotelbands seiner Heimatstadt, der südafrikanischen Metropole Kapstadt, gespielt. Mehr als sechzig Jahre später sitzt er auf der Bühne im Schlosshof am Klavier, und wenn man sich für einen Moment vorstellt, man befände sich in einer Hotelbar und Ibrahim würde die Klangkulisse liefern, bleibt nur der Schluss: Reflexion statt Emphase, Ruhe und Versenkung sind an die Stelle der einst vom Freejazz genährten Glut getreten. Der Meister ist bei seinem vom Verein „Jazz im Prinz Karl“ ausgerichteten Konzert hoch konzentriert, scheint jeden Ton bis zum Letzten auszukosten und ganz der weihevollen Atmosphäre dieses Auftritts verpflichtet. 

Schon als Abdullah Ibrahim noch Dollar Brand hieß, hat man seine Musik gerne als magisch bezeichnet. Doch sein aktuelles Soloprogramm „Dream Time“ ist von einer neuen spirituellen Qualität. Wenig ist geblieben von den energetischen afrikanischen Klängen alter Tage. Heute präsentiert sich Ibrahim als Hohepriester eines umfassenden New-Age-Jazz. Ein paar südamerikanische Fragmente hier, ein paar klassische Linien dort, Ellington-Zitate, die sich mit heimischer Kwela-Rhythmik abwechseln, angereichert mit Blues-Skalen und angedeuteten Bop-Phrasen. Der von Ibrahim eine Stunde nahtlos aneinander gereihte Klangteppich hört sich an wie eine Demonstration, bei der die komplette trikontinentale Geschichte des Jazz – von Afrika über Amerika bis nach Europa – mit am Klavier sitzt. 

Was bei den meisten anderen in Beliebigkeit enden würde, das beugt sich bei Ibrahim einem – zwischen George Shearing und Thelonious Monk anzusiedelnden – pianistischen Personalstil. Der Schlüssel dazu heißt Sparsamkeit. Zugunsten einer kontemplativen Intensität nimmt Ibrahim sich radikal zurück. Grazil streichelt er die Tasten, kreist fast zärtlich um seine Themen. Wird die Melodik üppiger, fällt der Südafrikaner, der inzwischen in einem kleinen Ort im Chiemgau lebt, kurz ins Stakkato und deutet die Linien nur noch an. Das Komplexe wird so ganz einfach, und das Einfache gewinnt zugleich an Komplexität. 

Wie viel Improvisation – ein bekanntlich nicht unerhebliches Kriterium für Jazz – im scheinbar telepathischen Spiel des südafrikanischen Pianisten noch Platz findet, ist nicht mehr zu erkennen. Doch darum geht es bei dieser hypnotisch-betörenden Messe im Konzertgewand auch gar nicht. Hier grundiert einer, der sein inneres Afrika gefunden hat, melodieselig und harmonisch seine Jazzerfahrung. Und am Ende gibt er nach stehenden Ovationen des Publikum noch eine längere Zugabe und singt ein südafrikanisches traditionelles Volkslied – kunstlos, aber inbrünstig und intensiv. Und vor allem sehr ergreifend.

Kein sonderlich aufregendes Konzert also? Damit würde man der Sache keineswegs gerecht. So ausgeglichen Abdullah Ibrahims Musik auch wirken mag, er langweilt nie. Aus seiner pianistischen Reduktion springen immer mal wieder Bruchstücke Monk’scher Brocken hervor und was er aus seinen Klangfarbenspielen schöpft, lässt noch immer die großmeisterliche Improvisationskunst erkennen. Und für derlei ist dann eben doch der atmosphärische Schlosshof in Tübingen und nicht die Hotelbar in Kapstadt der perfekte Ort.