SWR NEWJazz Meeting 2016
Sound Portraits from Contemporary Africa
Siehe dazu auch die Seite des SWR.
„Ich sehe einen besonderen Wert darin, die Musik meiner südafrikanischen Heimat zu erforschen und sie fit für die Zukunft zu machen.“ Kyle Shepherd, 29, ist der Shooting Star der ambitionierten zeitgenössischen südafrikanischen Jazzszene. Offensiv bezieht sich der Pianist in seinen Sounds auf die Wurzeln des Township-Jazz und des Goema-Beat seiner Heimatstadt Kapstadt. Trotzdem möchte er nicht in eine Schublade gesteckt werden. „Es ist cool, wenn man in konzeptionellen Fragen das südafrikanische Ding wählt. Aber genauso cool ist es, wenn man etwas anderes wählt.“
Kyle Shepherd ist der Kurator des diesjährigen SWR NEWJazz Meeting. Auf seinen Wunsch hin begegnen sich im Klanglabor des Südwestrundfunks vier junge Jazzer aus Südafrika mit dem aus Benin stammenden und seit 1990 in den USA lebenden Gitarristen Lionel Loueke. „Sound Portraits from Contemporary Africa“ nennt Shepherd das Projekt, in dem die afrikanischen Improvisatoren in den Rundfunkstudios des Südwestrundfunks ein Konzertprogramm erarbeiten, das sie im Anschluss daran im Sendegebiet auf Tour vorstellen.
Shepherd nennt seine Musik „eine Kreolisierung vieler Dinge“. Aufregend virtuos erweitert er die Dimension des südafrikanischen Jazzpianos durch Elemente aus Hip Hop und Neo-Soul, Post-Bop und Free Music. Seine Mutter ist eine Violinistin, die an Abdullah Ibrahims Schule M7 musizierte. „Ich hörte Cape-Jazz also schon, als ich nicht mal wusste, was das ist.“, erzählt Kyle. Zunächst lernte er Violine, studierte das Instrument und sein klassisches Repertoire von fünf bis er 15 Jahre alt war. Als Teenager entdeckte er das Improvisieren und sein heutiges Lieblingsinstrument. „Als ich dann mit Jazz auf dem Klavier anfing, fühlte sich das alles so vertraut an – als wenn ich all diese Dinge schon kennte.“
Im Gegensatz zu seiner Ausbildung an der Geige, ist Kyle Shepherd am Klavier ein waschechter Autodidakt. „In mancherlei Hinsicht bereue ich, dass ich kein Klavierstudium absolviert habe. Andererseits gibt mir gerade diese Tatsache eine immense Freiheit im Umgang mit dem Instrument und mit der Musik. Den Freiraum, neue Dinge zu entdecken.“
In der 49. Ausgabe des legendären SWRNEW Jazz Meeting erfüllt sich der südafrikanische Pianist einen Herzenswunsch: erstmals spielt er mit dem aus Benin stammenden Gitarristen und Sänger Lionel Loueke zusammen. Beide lernten sich am Rande des Jazzfestivals in Durban kennen. Ihr Plan zusammen zu arbeiten, scheiterte bisher immer an äußeren Umständen.
Aufgewachsen ist Lionel Loueke in Benin mit afrikanischer Popmusik, Perkussion spielend, bis er über das Hören von George Benson zur Gitarre und zum Jazz fand. „Ich musste ein Jahr lang arbeiten, bis ich die 50 Dollar hatte, um mir meine erste Gitarre kaufen zu können.“ Weil keine Gitarrensaiten verfügbar waren, zog sich der junge Lionel die Kabel von Fahrradbremsen aufs Instrument (heute spielt er auf „normalen“ Saiten).
1991 ging Loueke zum Jazzstudium ans renommierte Berklee College in Boston. Seit 10 Jahren spielt er in den Bands des Pianisten Herbie Hancock. Im April präsentierte sich Loueke mit seiner Musik im Weißen Haus auf Einladung von US-Präsident Barack Obama.
Kyle Shepherd freut sich auf die Begegnung mit Loueke: „So verschieden wir aufgewachsen sind, Lionel in Benin, ich in Kapstadt- spüre ich eine besondere Nähe zu Lionels Spiel. Unsere Sounds, obwohl widersprüchlich durchflochten von europäischen und amerikanischen Elementen, wurzeln in demselben afrikanischen Verständnis von Beat und Groove.“
ZUR GESCHICHTE DES LEGENDÄREN SWR NEWJazz Meeting
Es war immer schon mehr als eine locker-flockige Jam-Session. Das SWR NEWJazz Meeting ist ein Klanglabor, eine künstlerische Forschungsstation in Sachen improvisierter Musik. Die Idee: völlig verschiedene Musiker, die vorher noch nicht zusammen kamen, erarbeiten in einem mehrtägigen Prozess in den Rundfunkstudios des Südwestrundfunks ein gemeinsames Programm, dass sie im Anschluss daran in öffentlichen Konzerten im Sendegebiet präsentieren.
Gegründet 1966 vom ehemaligen SWF-Jazzredakteur Joachim-Ernst Berendt sind so in der mehr als dreißigjährigen Geschichte des NEWJazz Meeting zahlreiche dauerhafte Verbindungen zwischen Jazzkünstlern entstanden – beispielsweise 1988 die bis heute anhaltende spannende Kooperation des amerikanischen Saxophonisten Tim Berne mit dem französischen Gitarristen Marc Ducret.
Aber das NEWJazz Meeting ist zugleich auch ein wichtiges Sprungbrett für aufstrebende junge Musiker. Unvergessen etwa der Vocal-Summit des NEWJazz Meeting, an dem 1980 ein damals völlig unbekannter Sänger teilnahm. Von hier aus erlebte er seinen Aufstieg in den Vokal-Olymp. Sein Name: Bobby McFerrin.
Von Anfang an war das NEWJazz Meeting mehr als ein zwangloses „Come Together“ in einem Studio. Die Musiker dieser in der Jazzwelt ziemlich einmaligen Institution nutzten die Gelegenheit im radiophonen Kontext Konzepte zu entwickeln für die auf der von Konventionen geprägten Szene nur wenig Platz war.
So wurde das SWR NEWJazz Meeting schnell zu einem Sensor und Katalysator für sich anbahnende Jazzentwicklungen. In den Baden-Badener Rundfunkstudios präsentierten zum Beispiel die Musiker der einflussreichen Chicagoer Musikerorganisation AACM ihre Konzepte zum ersten Mal in Europa. Der Anstoß zur Gründung des Globe Unity Orchestra – dieses für den Free Jazz so wichtige Großenemble – kam in der Folge des Klanglabors (das 1966 noch Free Jazz Meeting hieß). Das SWR NEWJazz Meeting wurde zu einem Impulsgeber für die vielfältigen Entwicklungen der europäischen Jazzemanzipation – von Alexander von Schlippenbach über Joachim Kühn und Gianluigi Trovesi bis hin zu Vincent Peirani. Hier auch regten sich besonders früh jene Trends, die für eine kreative Öffnung des Jazz zu den großen nichtwestlichen Musikkulturen sorgten (Rabih Abou-Khalil und Renaud Garcia-Fons).
Das SWR NEWJazz Meeting 2016 auf Tour:
Freitag, 25. November: Alte Feuerwache, Mannheim, 20 Uhr
Samstag, 26. November: Sudhaus, Tübungen, 20:30 Uhr
Sonntag, 27. November: Tollhaus, Karlsruhe, 19:30 Uhr